Dinsdag 7 augustus 2007 - Dogen (dr. Stefan Bauberger)

Vandaag een commentaar van dr. Stefan Bauberger (1960), natuurkundige en Jezuïet, op Zazengi van Dogen.

Hier komt het:

Meister Dōgen: Fukan zazengi (rūfubon)

Der Zen-Meister Dōgen (1200 – 1253) ist der Begründer der japanischen Linie des Soto-Zen. Strenge Soto-Klöster folgen noch heute ziemlich genau den detaillierten Regeln, die er festgelegt hat. Unter seinen zahlreichen Schriften findet sich eine Anleitung zum Zazen (= „Zen-Sitzen“) mit dem Titel Fukan zazengi. Diese ist im Folgenden kommentiert. Der Text des Fukan zazengi ist kursiv und eingerückt gedruckt. Zitiert wird die „Volksausgabe“ von Dōgen nach der sehr guten Übersetzung in Meister Dōgen: Shōbōgenzō. Bd. 1. Heidelberg, Leimen: Kristkeitz Verlag 2001, S. 311-313, mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Kurze Erläuterungen zu Namen und Begriffen stehen jeweils in eckigen Klammern, [...], direkt im zitierten Text.

1. Welchen Nutzen hat die Übung des Zazen?

Wenn wir jetzt nach der Wahrheit fragen, ist die Antwort, dass sie grundsätzlich überall gegenwärtig ist. Weshalb sollten wir dann auf die Übungspraxis und die Erfahrung angewiesen sein? Das grundlegende Fahrzeug zur Verwirklichung existiert aus sich selbst heraus. Warum sollten wir daher große Anstrengungen darauf verwenden? Die ganze Wirklichkeit geht weit über den Staub und Schmutz der Welt hinaus. Wer könnte an ein Mittel glauben, sie zu reinigen? Grundsätzlich sind wir nie von unserem Ziel entfernt. Welchen Nutzen hätte da auch nur die geringste Übungspraxis?

Von Anfang an bist du rein und vollkommen. Von Anfang an strahlt die Wirklichkeit hell und klar: Die Übung von Zazen setzt großen Glauben voraus. Damit ist ein Vertrauen in die Wirklichkeit gemeint, zuerst in deine eigene Wirklichkeit. Übe einfach dazusein, ohne etwas erreichen zu wollen, ohne dich verändern zu wollen. Im Leben musst du ständig bestimmte Anteile von dir unterdrücken, in der Übung des Zazen ist ein großer Raum, in dem du sein kannst, mit allem was ist. Wenn du wütend wirst oder traurig oder freudig, oder sonst etwas, dann ist es einfach so. Du agierst es aber nicht aus, sondern bleibst in der Übung. Lass die inneren Bewegungen geschehen, unterdrücke sie nicht, schwelge aber auch nicht darin, lass dich nicht von ihnen wegtragen. Sondern kehre zurück zur Sammlung auf die Atmung oder wie immer du übst. Du übst ein großes Akzeptieren, dich selbst zu akzeptieren, die Welt zu akzeptieren.

Die Übung ist wesentlich ein Nicht-Tun. Du lässt geschehen, was von alleine geschieht, überlässt dich der Dynamik der Wirklichkeit. Warum dann die ganze Mühe?

Und doch, wenn es nur die kleinste Vorstellung einer Trennung gibt, ist die Wahrheit so weit entfernt wie der Himmel von der Erde. Wenn nur die geringste Gegensätzlichkeit aufkommt, verliert sich der Geist in der Verwirrung. Jemand mag stolz auf sein Verständnis sein, er mag Großes verwirklicht, die Wahrheit erlangt und den Geist geklärt haben, aber selbst wenn er mit sei­nem Willen bis an den Himmel stößt, hat er den kraftvollen Weg der Befreiung, der über den Körper hinausgeht, nahezu verloren, solange es ihm noch gefällt sich im Bereich des Denkens und der Begriffe zu bewegen.

Von Anfang an strahlt die Wirklichkeit hell und klar. – Aber schau auf dich, auf dein Leben! Wenn dir diese Gegensätzlichkeit, von der Dogen spricht, zum Problem wird, dann übe Zazen.

Dies trifft selbst auf den großen Weisen vom Jeta-Hain [Shākyamuni Buddha] zu. Noch heute können wir die Spuren der sechs Jahre erkennen, in denen er aufrecht in Zazen saß. Und wir hö­ren noch die Geschichte von Bodhidharma [der Begründer des Zen], der neun Jahre vor der Wand saß und im Shōrin-Kloster das Siegel des Buddha-Geistes weitergab. Wie könnten wir Men­schen heute in unseren Anstrengungen nachlassen, wenn sogar die alten Meister so gehandelt haben?

Nimm dir die alten Meister zum Vorbild. Ihre Härte wirst du nicht nachahmen können, und in manchen Punkten sollst du es auch gar nicht. Aber ohne große Entschlossenheit wirst du den Weg nicht verwirklichen können. In der Bibel gibt es das Gleichnis von dem Mann, der eine wertvolle Perle findet. Er verkauft alles, was er hat, nur um diese eine Perle erwerben zu können.

Manche üben Zazen, um zur Ruhe zu kommen oder um sich besser konzentrieren zu können. Das ist die erste Wirkung der Übung. Eine zweite Wirkung ist eine gewisse innere Heilung, die geschehen kann, körperlich und seelisch. Oft laufen dabei Prozesse ab, in denen du mit heftigen Stimmungen und Gefühlen, mit Erinnerungen und fast zwanghaften Gedanken konfrontiert wirst. In manchen Fällen ist es dann notwendig, therapeu­tische Hilfe zu suchen. Aber auch ohne Therapie hat die Übung in aller Regel eine heilsame Wirkung. Vertraue auch auf deine inneren Heilungskräfte.

Es ist völlig in Ordnung, Zen für diese Ziele zu üben. Mit ein wenig Anstrengung kannst du mehr oder weniger erreichen. Letztlich ist Zen aber auf Erwachen ausgerichtet, auf vollkommene Befreiung. Diese eigentliche Wirkung des Zen verlangt nicht nur ein wenig Anstrengung, sondern vollkommene Hingabe an die Übung. Es ist eine religiöse Übung.

Deshalb solltet ihr aufhören nach Erklärungen zu suchen, die Schriften zu studieren und Wörtern nachzulaufen. Lernt vielmehr einen Schritt zurückzutreten, lenkt das Licht eures Selbst nach In­nen und lasst es sich dort widerspiegeln. Dann werden Körper und Geist von selbst abfallen, und euer ursprüngliches Gesicht wird sich direkt offenbaren. Wenn ihr Dies erlangen wollt, praktiziert es sofort.

Das ist es.

2. Praktische Anleitung

Für die Übungspraxis des Zazen ist ein ruhiger Raum geeignet.

Ein ruhiger Raum ist besser, aber auch ein lauter Raum ist geeignet. Geräusche stören nicht notwendig, besonders Naturgeräusche können sogar eine große Hilfe für die Meditation sein. Denk aber nicht über die Geräusche nach. Werde eins mit den Geräuschen. Verschließe die Sinne nicht, son­dern öffne sie. Wenn du nicht mehr unterscheiden kannst, ob das Geräusch in dir oder außen ist, wenn dieser Unterschied keine Bedeutung mehr hat, dann hast du gelernt wirklich zu hören.

Esst und trinkt nicht zu viel. Gebt alle Bindungen auf und ruht euch von den Pflichten des Alltags aus. Denkt nicht an Gut und Böse oder an Falsch und Richtig. Hört auf über die Dinge nach­zudenken und lasst alle Begriffe und Vorstellungen los. Versucht nicht Buddha zu werden!

Versuch auch nicht ein guter Meditierer / eine gute Meditiererin, ein Zen­mensch, ein besserer Mensch oder ein frömmerer Mensch oder sonst etwas zu werden. Die grundlegende Übung besteht darin ganz dazusein. Madeleine Delbrêl, eine christliche Mystikerin, legt einem fiktiven ‘kleinen Mönch’ den Ausruf in den Mund „Wenn Gott doch überall ist, warum bin ich dann so oft woanders?“ Werde ganz präsent, beziehungs­weise: Wenn du merkst, dass du woanders bist, dann kehre in die Präsenz zurück, immer und immer wieder von Neuem.

Wie könntet ihr Zazen mit dem gewöhnlichen Sitzen oder Liegen vergleichen?

In der Regel breitet man eine feste Matte aus, wo man sitzen will, und legt auf die Matte ein rundes Sitzkissen. Man kann entweder den vollen oder den halben Lotossitz einnehmen. Im vollen Lotossitz legt man zuerst den rechten Fuß auf den linken Oberschen­kel und dann den linken Fuß auf den rechten Oberschenkel. Im halben Lotossitz legt man nur den linken Fuß auf den rechten Oberschenkel.

Es ist keineswegs notwendig und wird für viele zu schwer sein, den vollen oder halben Lotossitz einzunehmen. In den Zenklöstern ist es sinnvoll, davon auszugehen, dass alle diese strengen Sitzweisen lernen. Die Mönche oder Nonnen treten meist in jüngeren Jahren in das Kloster ein und haben reichlich Gelegenheit zur Übung. Für „Laien“ ist die Situation anders, aber es lohnt sich, einige Mühe in Kauf zu nehmen, um eine gute Sitzposition zu lernen. Niemand wird ohne Schmerzen, manchmal auch heftige Schmerzen, Zen erlernen können. Quäle dich aber auch nicht unnötig, denn zu viel Schmerz lenkt von der Übung ab. Und achte auf deine Gesundheit. Ein heftiger, stechender Schmerz in den Knien oder vom Ischiasnerv her ist oft ein Alarmsignal, das ernst genommen werden muss.

Im vollen oder halben Lotossitz sind die Fußflächen nach oben gedreht. Damit werden nicht nur die Knie sondern auch die Fußgelenke stark ge­dehnt. Im sogenannten burmesischen Sitz liegen die Füße vor dem Körper auf dem Boden. Eine sehr gute Zwischenlösung ist es, einen Fuß auf den Boden zu legen und den zweiten Fuß auf den ersten Fuß aufzulegen („viertel Lotossitz“). In allen diesen Sitzweisen müssen die Knie auf dem Boden aufliegen. Wenn das nicht geht, dann kann bei dem entsprechenden Knie eine Decke oder ein kleines Kissen untergelegt werden, damit das Knie aufgelegt werden kann. Sonst können die Beine nicht entspannt werden, was aber sehr wichtig ist.

Im halben Lotossitz steht das Becken oft ziemlich schief, was zu einer seitlichen Krümmung der Wirbelsäule führt. Wer damit Schwierigkeiten hat, für den/die ist der halbe Lotossitz nicht geeignet. Es kann besonders im halben Lotossitz auch sinnvoll sein, abwechselnd das linke und das rechte Bein obenauf zu legen.

Bei diesen Sitzweisen ist es wichtig, die richtige Höhe für das Sitzkissen zu finden. Diese ist individuell sehr unterschiedlich. Man kann auch eine Decke unter dem Kissen unterlegen und richtig falten, um die beste Höhe zu erreichen. Das Becken soll durch die Unterstützung des Kissens leicht nach vorne kippen, damit sich der Rücken von unten her aufrichtet.

Die Knie werden bei diesen vom Lotossitz abgeleiteten Sitzweisen mehr durch die Drehung belastet als durch die Beugung. Diese Belastung wird geringer, wenn der Sitz in der Reihenfolge eingenommen wird, dass die Beine zuerst ganz gebeugt und erst dann gedreht werden.

Eine gute Alternative zum Lotossitz oder den einfacheren Variationen ist das Sitzen auf einem Knie-Hocker oder reitend auf einem Kissen. Dieser Sitz ist vom „Diamantsitz“ abgeleitet, dem Sitzen auf den Fersen. Im Dia­mantsitz schlafen aber sehr leicht die Füße ein, deshalb ist die Unterstützung durch einen Hocker oder ein Kissen meist sinnvoll.

Auch auf dem Stuhl kann man Zazen üben. In der Regel ist es besser, einen Stuhl ohne Lehne zu verwenden.

Kleider und Gürtel sollen locker und doch wohl geordnet sein. Danach legt man den rechten Handrücken auf den linken Fuß und dann die linke Hand in die rechte Handfläche. Die beiden Daumenspitzen berühren sich.

Das funktioniert so nur im vollen oder halben Lotossitz. Sonst müssen die Hände in eine Falte der Kleidung abgelegt werden oder auf eine kleine Decke die untergelegt wird. Die Hände dürfen nicht zu tief nach unten rutschen. Sonst fallen die Schultern nach vorne. Wer das Sitzen sehr gut beherrscht, kann die Hände auch frei in der Luft halten. Das führt aber sehr leicht dazu, dass die Schultern verspannt werden.

Haltet dann den Körper aufrecht und sitzt gerade so, dass ihr we­der nach rechts noch nach links und weder nach vorn noch nach hinten geneigt seid. Es ist wichtig, dass Ohr und Schulter sowie Nase und Nabel eine gerade senkrechte Linie bilden.

Aufrecht zu sitzen ist das Wichtigste an der Sitzhaltung. Viele Menschen haben aber Verkrümmungen der Wirbelsäule, die eine streng aufrechte Haltung unmöglich machen. Wenn du davon betroffen bist, musst du einen Kompromiss suchen: Die Haltung soll zwar aufrecht sein, aber auch entspannt bleiben, vor allem sollen die Schultern entspannt sein. Das bedeutet unter Umständen nicht ganz aufrecht sitzen, sondern in einer Mittelstellung. In einer guten Haltung gibt es ein Gefühl der Weite in der Brust, ein bisschen ähnlich einer stolz geschwellten Brust, aber immer mit entspannten Schultern. Die Schultern hängen nicht nach vorne. Die Oberarme sind seitlich vom Rumpf.

Der körperlichen Entspannung entspricht es, Dich innerlich loszulassen. Es gibt immer noch mehr loszulassen. Sogar das Loslassen-Wollen musst Du loslassen.

Die Zunge sollte den oberen Gaumen berühren. Sowohl die Lippen als auch die Zähne liegen an- und aufeinander.

Wenn die Zunge locker oben anliegt, muss man weniger oft schlucken. Der Mund bleibt geschlossen, aber locker. In dem Punkt, dass die Zähne aufeinander liegen sollen, kann ich Dōgen nicht folgen. Die Kiefer bleiben ganz entspannt.

Die Augen solltet ihr immer ein wenig offen halten.

Der Kopf bleibt aufrecht, als würde der Blick in die Ferne gehen. Die Augen blicken aber schräg nach unten. Brillenträger setzen ihre Brille während der Meditation besser ab.

Wenn das mit den offenen Augen zu anstrengend wird, kannst du sie zwischendurch auch einmal schließen. Das soll aber nicht zur Gewohnheit werden. In der Meditation ziehst du dich nicht in einen Innenbereich zurück, der von der Welt abgekoppelt ist. Auch helfen die offenen Augen ein wenig, damit die Meditation nicht dösig wird.

Atmet leise durch die Nase ein und aus.

Die richtige Atmung zu erlernen ist eine Kunst. Die Grundübung besteht aber zuerst einmal darin, die Atmung frei ein- und ausströmen zu lassen. Wenn die Atmung schnell geht, ist das richtig, und wenn sie langsam geht, ist auch das richtig. In Augenblicken tiefer Sammlung kann die Atmung sehr langsam werden. Eine tiefe Sammlung lässt sich aber nicht willentlich herbeiführen (und schon gar nicht durch langsames Atmen), sondern sie geschieht im geeigneten Moment von selbst.

Der Atem strömt also frei. Dann kannst du lernen, mit dem Zwerchfell zu atmen, nicht mit der Brust. Dabei wird der Unterleib aber nicht ganz locker gelassen, so dass der einströmende Atem dort einen Druck erzeugt.

Es gibt auch Atemtechniken, die aber nur mit Vorsicht und Zurückhaltung angewandt werden sollen. Sie können bei falschem oder übertriebenen Gebrauch sogar zu Herzrhythmusstörungen führen. Die wichtigste Technik besteht darin, die Ausatmung zu verlängern, tiefer auszuatmen, ohne aber nach der Ausatmung eine Pause zu machen. Das kann dazu helfen, sich zu kon­zentrieren. Lass dann die Atmung wieder frei und natürlich fließen.

Wenn sich der Körper in der richtigen Position befindet, atmet einmal tief aus und pendelt zu Anfang nach links und rechts.

Das ist sehr hilfreich und du kannst es zu Beginn jeder Meditation vollziehen.

Wenn ihr dann still und un­beweglich sitzt, „denkt aus dem Grund des Nicht-Denkens“. „Wie kann man aus dem Grund des Nicht-Denkens denken?“ „Es ist nicht wie das gewöhnliche Denken.“ Dies ist die wesentliche Kunst des Zazen.

Sitz still und unbeweglich, auch wenn innerlich Ablenkungen kommen. Es ist gut, jeden Impuls sich zu bewegen zu unterdrücken. Es kann zum Beispiel ein fast unwiderstehlicher Zwang werden, sich zu kratzen. Wenn du diesem Impuls nachgibst, dann wird in der Regel die Qual noch größer. Wenn du nicht nachgibst, verschwindet der Druck von selbst.

Die Übung besteht nicht darin, nichts zu denken und schon gar nicht darin, die Gedanken wegzudrängen. Was dann? Kehr zurück zur Sammlung auf die Atmung, oder wie immer du übst, dann wird dir die Übung selbst erschließen, was Dōgen hier meint.

In Zazen zu sitzen bedeutet nicht, Zen-Konzentration zu erlernen.

Um in die Übung hineinzufinden ist es hilfreich mit Konzentrations­übungen zu beginnen. Diese dienen dazu, die Aufmerksamkeit auf einen Punkt zu sammeln, um nicht von der Flut der Gedanken und Gefühle weg­getragen zu werden. Eine Grundübung besteht darin, der Atmung zu folgen – einfach nur „Ein“ und „Aus“. Spüre die Bewegung der Atmung. Spüre auch, was sich sonst im Körper abspielt. Es kann auch hilfreich sein, die Atemzüge zu zählen, von eins bis zehn und dann wieder von vorne. Vergiss dich selbst über der Atmung.

Die Achtsamkeit auf die Atmung soll nicht dazu führen, dass du die Atmung manipulierst. Allerdings dauert es oft lange, zu lernen, die Atmung nur zu beobachten, ohne sie zu beeinflussen. Wenn du zu sehr manipulierst, dann ist es manchmal besser, nicht auf die Atmung zu achten, son­dern die Aufmerksamkeit einfach allgemein auf den Körper zu richten.

Aber Dōgen sagt richtig, dass es nicht darum geht, Konzentration zu erler­nen oder zu praktizieren. Die Atmung oder ein anderer Punkt der Aufmerksamkeit dient nur dazu, in der Präsenz zu bleiben oder in die Präsenz zurückzukehren. Es soll kein angestrengtes Sich-Konzentrieren werden, sondern ein möglichst passiver Vorgang, in dem du dich selbst vergessen kannst. Je passiver, desto kraftvoller wird die Meditation. Lass aber kein Dösen aufkommen! (Es kann passieren, dass du während der Meditation einschläfst, wenn die Müdigkeit zu groß wird. Das ist keine große Störung, wenn es nicht zur Gewohnheit wird. Ein dauerndes Dösen ist störender.)

In der Praxis werden dich oft die Gedanken oder Träumereien oder Gefüh­le wegtragen. Die Übung besteht darin, immer wieder zurückzukehren in die Gegenwart, und dazu hilft die Atmung oder sonst ein Punkt der Aufmerksamkeit.

In der Übung des Shikantaza (= Nur-Sitzen oder Mit-Aller-Kraft-Sitzen) verzichtet man auf jedes solche Hilfsmittel und übt nur das pure Präsent­sein. Diese Übung ist sehr kraftvoll, aber sehr schwer in Reinform auszu­führen. In der Praxis wird es meist hilfreich sein, bei Ablenkungen oder Schläfrigkeit ein Hilfsmittel der Aufmerksamkeit zu verwenden.

Nimm auch deine Lebensfragen und deine tiefsten Sehnsüchte mit in die Meditation hinein. Nicht dass du darüber nachdenkst, aber sie begleiten dich, sie geben der Meditation eine Dynamik, und du wirst in der Meditation mit ihnen eins.

In der Übung mit Koans werden diese Lebensfragen besonders wichtig. Der große Zweifel, das große Fragen und Suchen wird zur Triebfeder Deiner Übung. Aber auch ohne ausdrückliche Koan-Übung sind deine Fragen die Quelle deiner Übung.

Es [Zazen] ist einzig das Dharma-Tor [Dharma = die Wahrheit, die Lehre des Buddhismus] des Friedens und der Freude.

Das heißt nicht, dass die Übung einfach und bequem ist. Wenn es schwie­rig wird, wenn viele störende Gedanken kommen, wenn die Beine und der Rücken schmerzen, dann kannst du dieses realisieren.

3. Die Frucht der Übung

Es ist die Praxis und Erfahrung, in der das Erwachen vollkommen verwirklicht wird. Die kosmische Ordnung verwirklicht sich beim Zazen unmittelbar, ohne das geringste Hindernis und ohne die geringste Einschränkung.

Im Vollzug der Übung hast du die kosmische Ordnung schon verwirklicht.

Wenn ihr dies wirklich erfasst, werdet ihr wie die Drachen in ihrem Gewässer und wie die Tiger auf ihrem Berg sein. Ihr müsst vor allem wissen, dass Unklarheit und Zerstreuung sofort verschwinden, wenn sich die wahre Wirklichkeit auf natürliche Weise vor euch offenbart.

Die wahre Wirklichkeit ist dir nichts Fremdes, nichts Äußeres, sondern so innerlich, so vertraut, so naheliegend, dass du sie ständig übersiehst. Erfasse sie und du verwirklichst vollkommene Freiheit.

Wenn ihr euch nach dem Sitzen erhebt, bewegt den Körper langsam und steht ruhig auf. Seid ohne Hast.

Vor allem: Stehe nicht gleich auf, wenn die Füße eingeschlafen sind. Sonst kannst du sie leicht verletzen. (Eine Nebenbemerkung: Je mehr man sitzt, umso wichtiger ist, sich zwischendurch viel zu bewegen, zu gehen oder Körperübungen wie Yoga, Qi-Gong, Tai-Chi oder Ähnliches zu machen.)

Seit längst vergangenen Zeiten haben sich die Alten der Kraft dieser Praxis anvertraut. Sie gingen weit über „Gewöhnliches“ und „Heiliges“ hinaus und starben, während sie saßen oder standen. Außerdem könnt ihr nicht mit dem Denken und Unterscheiden erfassen, wie sich das Erwachen in einem Au­genblick durch das stumme Hochhalten eines Fingers, durch das Fallen eines Mastes, einer Nadel oder durch das Lehren des Dharmas mit Hilfe eines Holz­blockes ereignet. Dasselbe gilt für die Erfah­rung des Einklangs mit Buddha durch das Hochhalten eines Hossu, einer Faust, eines Stocks oder durch das Ausstoßen eines Schreis.

All das sind Anspielungen auf Geschichten, wie alte Meister zum Erwachen gekommen sind.

Einerseits ist Zazen ein natürlicher Vorgang. Wenn das Sitzen nach einer Weile der Übung zur Gewohnheit geworden ist, dann ist es ein Vorgang wie Essen, Trinken und Schlafen, etwas, was in deinem Körper angelegt ist. Du vertraust dich der Kraft dieser Übung an, die dir nichts Fremdes ist, sondern eine Verwirklichung dessen, was dein Innerstes ist. Damit geht Zazen andererseits weit über „Gewöhnliches“ und „Heiliges“ hinaus.

Wie könntet ihr dies durch die Praxis und Erfahrung wunderbarer Kräfte verstehen?

Zazen dient nicht dazu, besondere Kräfte zu entwickeln. Solche Kräfte sind nur eine Verlängerung deiner Allmachtswünsche. Sie werden dich nicht aus der Begrenztheit deines Egos befreien, sondern noch mehr darin verschließen.

Das würdevolle Verhalten der Meister mag jenseits von Klang und Form sein. Wie könnte es nicht ganz ande­re Maßstäbe geben, die vor dem unterscheidenden Wissen und der Wahrnehmung existieren? Deshalb solltet ihr nicht sagen, dass Wissen hervorragend und Dummheit minderwertig sei, und nicht zwischen in­telligenten und beschränkten Menschen unter­scheiden. Vielmehr solltet ihr eure Anstrengungen einzig auf Za­zen richten, denn dies ist wirklich das Bemühen um die Wahrheit. Diese Praxis und Erfahrung ist auf natürliche Weise rein, und euer Tun wird ausgeglichen und stetig sein.

Im Allgemeinen haben die Patriarchen dieser Welt und anderer Sphären, sowohl in Indien als auch in China, gleichermaßen die Buddha-Haltung bewahrt und konzentrierten sich einzig auf diese Tradition unserer Schule. Sie haben allein das Sitzen praktiziert und wurden von der Stille angezogen. Deshalb solltet ihr aus­schließlich Zazen üben und euch um die Wahrheit bemühen, selbst wenn es in dieser Welt unendlich viele Unterscheidungen und Verschiedenheiten gibt. Weshalb solltet ihr euren Sitz im eigenen Haus ablehnen, um ziellos in den staubigen Gegenden fremder Länder umherzuirren? Wenn ihr einen einzigen falschen Schritt tut, geht der jetzige Augenblick an euch vorbei.


Übe in diesem Augenblick! Beim Zazen zählt nur dieser Augenblick. Er ist kostbar, koste ihn aus.

Habt ihr nicht euren menschlichen Körper als das wesentliche Werkzeug empfangen? Verschwendet nicht eure Zeit! Bewahrt und behütet den Kern der Buddha-Wahrheit. Wer wollte da flüchtige Freuden genießen, die wie Funken vom Feuerstein springen? Nicht nur das, euer Körper ist wie ein Tautropfen auf einem Grashalm. Das Leben gleicht einem aufblitzenden Lichtstrahl. Plötzlich ist es verschwunden und verloren in einem Augenblick.

Dein Leben ist vergänglich. Aus dieser Vergänglichkeit gewinnt der jetzige Augenblick seinen unvergleichlichen Wert.

Deshalb bitte ich euch, edle Gefährten, die ihr die Wahrheit durch die Erfahrung erforscht: Erschreckt nicht vor dem wahren Drachen, weil ihr euch an seine Abbilder gewöhnt habt.

Das bezieht sich auf eine alte chinesische Geschichte. Ein Mann war von Drachen begeistert und sein ganzes Haus war voll von Drachenbildern. Die Drachen hörten davon und waren sehr angetan, einen solchen Verehrer zu haben. Deshalb kam ein Drache ihn besuchen. Als der Mann den Drachen durch das Fenster sah, erschrak er furchtbar und fiel in Ohnmacht.

Der Drache, der dir im Zazen begegnet, das ist dein ursprüngliches Gesicht oder die wahre Wirklichkeit oder es gibt noch viele andere Namen, die alle darauf hinweisen. Erschrick nicht vor diesem Drachen!

Richtet eure Anstrengungen auf den Weg, der direkt zugänglich und unkompliziert ist. Verehrt die Menschen, die aufgehört haben zu studieren und nichts mehr suchen. Lebt im Einklang mit der Wahrheit der Buddhas und werdet wahrhaftige Nachfolger des Samādhi [= Versenkung] der Patriarchen. Wenn ihr Dies lange genug praktiziert, werdet ihr es sicherlich selbst. Dann wird sich die Schatz­kammer des Dharmas [der tiefsten Wahrheit] auf natürliche Weise öffnen, und ihr werdet seine Schätze empfangen und benutzen können, so wie es euch gefällt.

Wie gebrauchst du diese Schätze? Wie gebrauchst du sie heute? Wie gebrauchst du sie jetzt, in diesem Augenblick?

Juni 2004. Stefan Bauberger.